Es ist 3 Uhr nachts.
Ich streife durch die Wohnung auf der Suche nach Nahrung.
Seit gefühlt 4 Monaten habe ich keinen Bissen mehr zwischen die Zähne bekommen. Mein Magen rumort, mein Körper ist schwach. Ich lechze nach Fleisch. Ich brauche Energie.
Doch man verwehrt sie mir.
Die innerpolitischen Begebenheiten innerhalb dieser Wände zwingen mich, vorsichtig zu sein in meinem Handeln. Doch die Leere meines Magens schreit. Ich brauche Nahrung.
Vorsichtig und leise, um die anderen Säugetiere in diesem Haushalt nicht zu wecken, schleiche ich in die Küche. Ich bin mir sicher, dort vorhin etwas gerochen zu haben. Doch die Menschen, die Alleinherrscher der hier klar als solche erklärten Monarchie, waren ebenfalls anwesend.
Und die Regeln sind klar: Kein Betreten des Küchentresens. Niemand wagt, diese Regeln zu brechen. Nicht einmal die Menschen selbst.
Doch der Hunger treibt mich, er treibt mich in die Verzweiflungstat, die ich gleich begehen werde. Ich springe auf den Tresen. Kein Laut. Bisher alles gut. Ich hebe meine Nase und rieche. Und keine Sekunde später weiß ich, was ich gerochen habe: Den Löffel.
Dieser Löffel wurde für die Übergabe des letzten Mahls verwendet. Es befinden sich noch Reste daran. Ob sie nach all der Zeit noch gut sind?
Ich schnuppere.
Die Nanosekunde, in der mein Geruchssinn mir sagt, dass die Reste verzehrbar sind, ist die, in der ich die Kontrolle verliere. Wie ein wildes Tier beginne ich, den Löffel abzuschlecken. Kein Stolz. Nur Hunger.
Auf einmal sehe ich den Löffel fallen. Ein innerpolitisches Desaster.
Mit einem lauten Klirren schlägt das Geschirrstück auf dem Boden auf. Doch mein Hunger ist noch immer nicht befriedigt. Ich springe vom Tresen und schlecke weiter.
Ich schlecke, bis ich von hinten ein lautes „SSSHSHHHHHH!!“ höre.
Die Menschen.
Ich begreife, dass ich die Regeln gebrochen habe. Ich weiß nicht, welche barbarische Strafe mich dafür erwarten wird. Werden sie mir alle Knochen brechen? Mich enthaupten? Oder mir gar mein Spielzeug wegnehmen?
Ich möchte nichts riskieren und renne daher los, zurück in’s Wohnzimmer.
Vorsichtig, aus der Ferne beobachtend, sitze ich am anderen Ende des Zimmers gegenüber der Tür zur Küche, aus der klirrende und klappernde Geräusche kommen. Ich warte.
Als der Mensch durch die Tür tritt, blicke ich ihn mit runden Augen an. Vielleicht glaubt er mir, wenn ich verdeutliche, dass ich nicht Herr meiner Sinne war. Wenn ich klarstelle, dass ich nicht wusste, was ich da tue.
Der Mensch guckt mich kurz an und kommt dann auf mich zu.
Was erwartet mich? Werde ich die Strafe überleben? Unsicherheit macht sich in meinem gesamten Körper breit.
Der Mensch greift in meine Richtung – und streichelt mich. Er sagt etwas, aber ich spreche kein Mensch. Der Tonfall ist jedoch beruhigend. Ich entspanne mich.
Dann geht der Mensch durch die Tür zum Schlafzimmer und ist verschwunden.
Erleichtert atme ich auf. Wieder einen weiteren Tag überlebt.
Doch dann kommt die Energie der Nahrungsreste an. Ich muss rennen.
Also renne ich.